Wahl­system

Informationen zum Wahlsystem

Das Wahlrecht ist ein historisch umkämpftes Recht. Hatten zunächst nur bestimmte gesellschaftliche Gruppen (z.B. der Adel) das Recht zu wählen, entwickelte sich im 19. Jahrhundert ein allgemeines Wahlrecht. Dies galt allerdings nur für Männer. Frauen mussten noch einige Jahre warten, bis auch sie wählen durften.

Generell ist es wichtig wählen zu gehen, weil nur so die eigenen Interessen überhaupt in der Regierung der Bundesrepublik Deutschland artikuliert werden können. Wenn man niemanden wählt, der sich für bestimmte Dinge und Ideen einsetzt, dann werden diese auch nicht zum Thema im Bundestag. Wahlen sind daher ein wichtig, um am politischen Leben teil zu nehmen.

Gerade die Erststimme, also die Direktwahl eines Kandidaten, hilft regionale Interessen zu berücksichtigen. Der Direktkandidat ist ein Mitbürger aus der Region des Wählers und somit auch in Sprechzeiten erreichbar und zu Gesprächen bereit. Dieser Direktkandidat kann dann die Anliegen der Bürger seines Wahlkreises im Bundestag vortragen.

Wer nicht wählt, der lässt andere für sich wählen und ist somit auch nicht mit seiner Meinung im Bundestag repräsentiert. Wenn dann über etwas Wichtiges im Bundestag entschieden wird, (z.B. höhere Steuern), dann gelten diese Entscheidungen natürlich auch für ihn. Er hätte durch die Wahl und somit die Vertretung seiner Interessen im Vorhinein zumindest zu einem Teil mitentscheiden können, welche Entscheidungen der Bundestag trifft – indem er eine Partei gewählt hätte, deren Programm ihn am meisten anspricht.

Der deutsche Wähler hat bei Bundestagswahlen zwei Stimmen zur Verfügung, die er unabhängig voneinander vergeben kann. Diese haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Vergabe der Sitze, da sie nach verschiedenen Kriterien verrechnet werden. So kommt bei der Erststimme die Mehrheitswahl zur Anwendung, während die Zweitstimme nach dem Prinzip der Verhältniswahl in Sitze umgewandelt wird.

Mit der Erststimme votiert der Wähler für einen Kandidaten, der seinen Wahlkreis im Bundestag repräsentieren soll. Die Abgeordneten werden hierbei in Form einer direkten Wahl ausgewählt. Ziel dieses Vorgehens ist es, eine enge Verbindung zwischen Wählern und Repräsentanten herzustellen. In der Erststimme findet somit die personalisierte Komponente des deutschen Wahlsystems ihren Ausdruck. Die Hälfte der zu vergebenen Sitze im Parlament wird durch die mittels der Erststimme gewählten Wahlkreisabgeordneten besetzt. Bei einer aktuellen Zahl von 598 regulären Sitzen beträgt die Zahl der Wahlkreise demzufolge 299. Da die Zugehörigkeit zu einer Partei keine Voraussetzung zur Kandidatur darstellt, ist, zumindest theoretisch, die Hälfte der Sitze auch für parteilose Kandidaten zugänglich.

Bei der Wahl der Direktkandidaten wird das sogenannte Majorzprinzip angewandt. Demnach erhält der Kandidat der die meisten Erststimmen in einem Wahlkreis auf sich vereinen kann das Bundestagsmandat. Das Erreichen einer absoluten Mehrheit ist nicht erforderlich. Ungeachtet der Tatsache, dass die Hälfte der Sitze im Deutschen Bundestag durch direkt gewählte Wahlkreisabgeordnete besetzt wird, hat die Erststimme – gesetzt den Fall es fallen keine Überhangmandate an – keinerlei Einfluss auf die Gesamtverteilung der parlamentarischen Mandate. Ihr kommt ‚lediglich‘ die Aufgabe der personellen Besetzung durch die direkt gewählten Repräsentanten für das halbe Parlament zu.

Die Zweitstimme ist ausschlaggebend für die Sitzverteilung im Bundestag. Im Gegensatz zur Erststimme wird mit ihr nicht eine Person, sondern die Landesliste einer Partei gewählt. Die zur Wahl antretenden Parteien erstellen hierzu eine geordnete und starre Liste der eigenen Kandidaten, die dem Bürger als Wahlvorschlag präsentiert werden. Für den Wähler ergibt sich keine Möglichkeit Einfluss auf diese Reihenfolge zu nehmen, er kann seine Zweitstimme lediglich en bloc abgeben. Die Listen der Parteien sind bundeslandspezifisch. Eine Partei die in mehreren oder gar allen Bundesländern zur Wahl antritt muss demnach für jedes Land eine eigene Landesliste erstellen. Zur Ermittlung des bundesweiten Gesamtergebnis einer Partei werden die entsprechenden Landeslisten zu einer Listenverbindungen zusammengeschlossen. Auf Grundlage der Bundesergebnisse der Parteien wird die Sitzverteilung nach dem sogenannten Proporzprinzip vorgenommen. Jede Partei erhält so viele Bundestagsmandate, wie ihr aufgrund ihres Zweitstimmenergebnisses zustehen. Anders als bei der Erststimme, bei der nur die Stimmen für den siegreichen Kandidaten relevant sind, werden alle gültigen Zweitstimmen berücksichtigt (Ausnahme: eine Partei scheitert an der Sperrklausel von 5%). Somit ist es möglich, „die Existenzgrundlage kleinerer und mittlerer Parteien zu sichern“ und eine faire Repräsentation durch proportionale parlamentarische Vertretung zu gewährleisten.

Die mehrstufige Sitzverteilung

Bereits bei der Beschreibung der Zwei-Stimmen-Konstruktion wurde deutlich, dass Erst- und Zweitstimme keinesfalls gleichwertig sind und auf unterschiedliche Weise in die Berechnung des Wahlergebnisses eingehen. Die spezifische Sitzverteilung erstreckt sich über mehrere Stufen und Verrechnungsebenen.

Beim Transformationsprozess der abgegebenen Stimmen in Bundestagsmandate werden in einem ersten Schritt die Parteien identifiziert, die sich für die Sitzvergabe qualifiziert haben. Infolge der Sperrklausel erhalten nur Parteien Berücksichtigung, deren Listenverbindungen einen Zweitstimmenanteil von bundesweit mindestens 5% aufweisen bzw. Parteien, die in einer Mindestanzahl von drei Wahlkreisen ein Direktmandat erzielen konnten.


Die Oberverteilung

In einem zweiten Schritt, der Oberverteilung, werden die Sitze auf die Parteien zugeteilt. Mit Hilfe eines speziellen Verrechnungsverfahrens erhält jede Partei so viele Mandate, wie ihr proportional aufgrund des Zweitstimmenanteils der eigenen Listenverbindung zustehen. Der Anteil der Zweitstimmen soll möglichst gleich dem Anteil an Bundestagssitzen sein. Diese Zuteilung wäre theoretisch auch auf der Ebene der Länder möglich, wodurch die Addition der einzelnen Landeslisten überflüssig wäre. Durch die Verrechnung auf Bundesebene sinkt jedoch die Anzahl der unverwerteten Reststimmen einer Partei die unter dem Gegenwert eines Mandates in Zweitstimmen bleiben würden. Das Verfahren stellt somit eine Vergünstigung für die Parteien dar, die im gesamten Bundesgebiet mit Landeslisten zur Wahl antreten. Die proportionale Sitzzuteilung erfolgt nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers.

Weitere Informationen hierzu finden sich auf der Seite des Bundeswahlleiters:
www.bundeswahlleiter.de/de/aktuelle_mitteilungen/downloads/Kurzdarst_Sitzzuteilung.pdf


Die Unterverteilung

Die Sitze, die einer Partei bundesweit zustehen, werden nun proportional entsprechend den jeweiligen Zweitstimmenergebnissen auf die jeweiligen Landeslisten verteilt. Dieser als Unterverteilung bezeichnete Schritt folgt derselben Logik wie die Oberverteilung. So bestimmt der Zweitstimmenanteil einer Landesliste, gemessen am Gesamtergebnis der Listenverbindung, die Anzahl der dieser Liste zustehenden Mandate im entsprechenden Bundesland. Analog zum vorherigen Schritt erfolgt dieser Prozess nach dem Verfahren Sainte-Laguë/Schepers.

Die letztendliche Mandatsvergabe erfolgt parteiintern auf Länderebene. Hierbei wird zwischen zwei Kategorien unterschieden: den Direktmandaten (Abgeordnete die durch den Gewinn eines Wahlkreises in den Bundestag einziehen) und den Listenmandaten (Abgeordnete, die über eine Landesliste einen Parlamentssitz erhalten). Die durch die Unterverteilung ermittelte Zahl der Sitze, die der Landesliste zustehen, wird zunächst durch alle im Bundesland erzielten Direktmandate besetzt. Das verbleibende Sitzkontingent wird über die Landesliste vergeben, entsprechend der vor der Wahl festgelegten Reihenfolge. Sollte ein Wahlkreisgewinner auf der Liste geführt werden, so wird er bei der Auffüllung der Sitze durch Listenmandate übersprungen, da er sein Bundestagsmandat bereits durch die Erststimme sicher hat.

www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-demokratie/39310/wahlen

Der Film der Bundeszentrale für politische Bildung erklärt noch einmal vereinfacht Erst- und Zweitstimme:
www.bpb.de/mediathek/599/erst-und-zweitstimme

Wir danken Jonathan Klatt (Gruppe Methoden), welcher die Erklärung zur Zwei-Stimmen-Konstruktion, Erst- und Zweitstimme sowie der Verrechnung der Stimmen aus seiner Bachelor Arbeit für Erststimme2013 zur Verfügung gestellt hat.